Neue WSVG-Disziplin: Unterwasserrudern
Kenterübungen mit der DLRG in Beuel am 27.09.2020
Die Fragen kommen bei jeder Fahrt: Ist die Welle zu hoch? Was passiert? Was macht das Boot? Wie sollten wir reagieren? Am vergangenen Sonntag gab es mit fachkundiger Unterstützung der DLRG Gelegenheit, hierfür mittels praktischen Versuches eine Antwort zu finden.
Bei 13 Grad Luft- und 17 Grad Wassertemperatur starteten um 10.15 Uhr unsere vielgeruderten 5er Bernstein und Rheinstein als Repräsentanten zweier Bootsgenerationen (ohne/mit Auftriebskörper) gegen alle Gewohnheit stromabwärts in experimenteller Absicht, beide Boote (nicht die Mannschaften!) auf Höhe der DLRG in Beuel volllaufen zu lassen „um dann zu prüfen und zu üben, wie das havarierte Ruderboot ans sichere Ufer kommen und dort entleert werden kann“.
Erst die Theorie, dann die Praxis! Nach der Landung in Wasserschuhen empfing Herr Rahman, Einsatzleiter bei der DLRG und selbst aktiver Ruderer, mit seinem Team die beiden Besatzungen und die nicht wenigen per Vereinsbus und privat angereisten interessierten Vereinsmitglieder und informierte über das Rettungswesen auf unserem Flussabschnitt. Beruhigend: Mit Hilfe kann ca. 25 – 30 Minuten nach Alarmierung über die Notrufnummer 112 gerechnet werden, werktags- wie sonn- und feiertags. Automatisch rücken die zuständigen Feuerwehren mit aus, sogar der Rettungshubschrauber wird mit einbezogen. Also immer ein wasserfest verpacktes Handy für den Fall der Fälle im Boot mitführen!
Herr Rahman sprach auch über die Funktion der Rettungsweste – jetzt zum Herbst/Winter wieder ein ganz aktuelles Thema: Da die Wassertemperatur des Rheins im Winter meist zwischen 5 und 13 Grad liege, verblieben bis zum Eintreten der Unterkühlung und der damit ausgelösten lebensbedrohlichen Verringerung der Körperfunktionen ganze 5–13 Minuten (Faustregel: 1 Grad entspricht 1 Minute)!!! Das reicht aufgrund der oben genannten Bereitstellungszeiten nicht für eine externe Rettung, auch lässt sich – glückliche Umstände nicht berücksichtigt – in so kurzer Zeit kein rettendes Ufer erreichen. Sinn und Vorteil der Rettungsweste ist, über diesen Zeitpunkt hinaus eine Rettung zu ermöglichen! Schwimmen mit Rettungsweste – das bewies der spätere Praxistest im Rhein – ist mühsam und kostet unverhältnismäßig viel Kraft.
Was sagt der Rettungsfachmann zum Thema „wie steuere ich in hohen Wellen“?
40 Grad, halbe Kraft – so Herrn Rahmans persönliche Vorgehensweise. Querlegen? Ginge auch, aber beide Skulls locker fassen und mit der Welle laufen lassen, gerade sitzen, Gewicht über Kiel, mit Ausgleichsbewegungen das Boot immer waagerecht halten, nicht versuchen, die Bordwand auf der Wellenseite anzuheben. Eventuell Bug entlasten mit Rollen und Verharren in der Auslage …
Und nun zur eigentlichen Aufgabe: Weder Querlegen noch Schneiden mit 40 Grad haben verhindern können, dass die Welle unser Boot vollständig geflutet hat. Was nun? Theoretisch: Beide Bootstypen haben so viel Auftrieb, dass sie auch randvoll gelaufen von zumindest einer Person gerudert werden können. Das bedeutet: Der Obmann schickt seine Mannschaft bis auf Position 3 in die Fluten an` s Boot, der verbleibende Rudernde rudert das Boot Richtung Ufer. Im knietiefen Wasser wird das Boot von der Mannschaft über die Oberschenkel hoch genommen und ausgeleert –die Fahrt kann weiter gehen – soweit die theoretischen Anweisungen. Nun zum Praxistest:
Mit Neoprenanzug und Wasserschuhen gerüstet, versuchen beide Mannschaften, ihr Boot durch Gewichtverlagerung nach backbord in Schräglage zu bringen und so über die Bordwand volllaufen zu lassen. Klappt bei der Bernstein, die läuft voll, die Mannschaft bleibt vollständig sitzen – im hüfttiefen Wasser! Rudern unmöglich. Schaut lustig aus der Ferne aus, 5 Leute sitzen im Wasser scheinbar ohne Boot. Vier Ruderer müssen aussteigen damit die Bernstein wieder auftreiben kann um dann von dem verbliebenen „Sitzengebliebenen“ Richtung Ufer gerudert zu werden..
Anders die modernere Rheinstein: Sie mobilisiert so viel Widerstand gegen die Schräglage, dass wir ohne energisches Wuchten die Bordwand nicht unter Wasser bekommen. Über den Punkt gebracht, revanchiert sich die Rheinstein allerdings genauso energisch: Sie schlägt blitzschnell um und befördert ihre Insassen in die Fluten. Gut, das rote DLRG-Boot in der Nähe zu sehen. Wir versuchen, das kieloben treibende Boot schwimmend Richtung Ufer zu bringen – trotz der hier relativ ruhigen Strömung ein sehr langwieriges Geschäft. Als wir dann endlich Boden unter den Füssen spüren und es die Wassertiefe zulässt, drehen wir die Rheinstein wieder auf Kiel und besetzen Position 3. Tatsächlich lässt sich das vollgelaufene Boot verhältnismäßig schnell an´ s Ufer rudern. Der Versuch, im knietiefen Wasser die Rheinstein zu entleeren, scheitert aber nach mehreren Versuchen. Aufgrund der Decksüberhänge verbleibt viel Wasser im Boot. Die Rückfahrt nach Godesberg starten wir mit Wasser bis zu den Fußriemen und geöffneten Lenzklappen – nach 10 Minuten schon ist das Wasser abgesaugt und wir rudern ohne flüssigen Ballast `gen Heimat stromaufwärts, ohne dass noch eine Welle versucht hätte, uns in Verlegenheit zu bringen. Wie denn auch …
War ein toller Tag von unzweideutig feucht fröhlicher Natur, wir alle haben etwas mitnehmen können.
Herzlichen Dank Onil Rahman von der DLRG und seiner Mannschaft.
Ein ganz besonderes Dankeschön an Erika & Axel Fliege, die das Ganze ins Laufen gebracht haben!
Klaus Schütze