Visé! Wieso Visé?
Regattabericht zur 17. Handicap International de Visé (22. Juni 2024)
Wieso Visé?
Diese Frage hätte ich Ende Mai noch nicht beantworten können. Zwar gab es von erfahrenen Regatta-Aktivisten immer nur lobende Worte für diese 6,2km lange Regatta, die auf der Maas in Visé (nördlich von Lüttich) ausgetragen wird – allein konnte ich nicht erahnen, was daran besonders sein soll. Das sollte sich dann ändern. Klaus Helbing gab drei Wochen vor Regattatermin den Anstoß und konnte schnell Andreas, Dirk und mich gewinnen. Heißt bei dieser Besatzung dann allerdings nicht, dass Dabeisein alles ist – Bella figura in einem möglichst schnellen Boot wurde als Ziel ausgegeben. Dies bedeutete Arbeit: ohne Fleiß bekanntlich kein Preis.
Zwei Wochen vor Regatta dann Trainingsbeginn mit beachtlich vielen Einheiten auf dem Wasser sowie umfassenden theoretischen Vor- und Nachbereitungen. Mit beachtlichem Fortschritt, der uns zuversichtlich für das Rennen stimmte.
Visé
Perfekt organisiert ging es dann nach Visé. Die Maas fließt dort relativ breit und ohne Verkehr. Der Schifffahrtsweg ist der parallel dazu gebaute Canal Albert. Der ausrichtende Ruderclub (Royal Centre Nautique de Visé) hat sein Bootshaus idyllisch gelegen auf der schmucken Robinson-Insel und bietet optimalen Ein- und Ausstieg ins Wasser. Da somit Wasser und Wetter (warm, trocken, bedeckt, Schiebewind) beste Bedingungen für eine Regatta darstellten, war vor Ort auch schnell klar, dass es keine Ausreden wegen äußerer Bedingungen geben wird.
Vom Charme einer Handicap-Regatta
Anders als Regatten mit zeitversetztem Start und individueller Zeitmessung, die anschließend zu Ergebnissen in Altersklassen führt, wird die Regatta in Visé als Handicap-Rennen durchgeführt. Dabei wird ein Zeitfaktor berechnet, der unterschiedliche Leistungsstärken nivellieren soll. Nach festen Regeln wird so aus Bootsklasse, Alter und Geschlecht ein Faktor festgelegt, aus dem der individuelle Startzeitpunkt hervorgeht. Mit kurzem Abstand gehen dann alle Boote an den Start. Es gewinnt das Team, welches zuerst im Ziel ist. In Visé waren es insgesamt 60 Boote und wir starteten mit Startnummer 32 mittendrin. Der Vorsprung des ersten Bootes auf das letzte betrug beim Start rund 9.30 Minuten. Vom Ziel aus wurde gemeinsam der Startpunkt angerudert. Beeindruckend dort dann das Ensemble von 60 Booten (vom Einer bis zum Achter), die auf das Startsignal warteten, um den Weg in ambitioniertem Tempo zurück zu fahren
Vom Start über die Qual zur goldenen Generation
Perfekt von Andreas instruiert, legten wir einen guten Start hin, waren schnell auf Zielschlagzahl 27/28 und wurden gekonnt von Klaus fußgesteuert. Nach und nach kassierten wir ein Boot nach dem anderen. Im Tunnelblick sah ich uns bereits auf dem Siegertreppchen. Bei Kilometer 4 ahnte ich allerdings, dass ja die ganzen vermeintlich schnelleren Boote irgendwann auch noch kommen würden. Das Team hielt aber das Tempo gleichmäßig hoch und so kamen wir in 23.57 Minuten ins Ziel, ohne ein einziges Mal überholt worden zu sein. 23 Boote konnten wir wiederum überholen und uns somit den 9. Platz sichern. Mehr als erwartet, so dass wir uns im Ziel und beim anschließenden Barbeque bereits als „La Generation Dorée“ (Goldene Generation) wähnten. Nachdem sich Adrenalin und Endorphine im Laufe des Abends etwas beruhigt hatten, relativierten wir dies und würden es vielleicht bei „Generation Silberlocke“ belassen.
Vielleicht liest man den Spaß aus diesem Bericht heraus, den es gemacht hat. Wenn mich jemand fragt, was denn den Charme von Visé ausmacht, wären dies neben dem beherzten Team auf jeden Fall die gut ruderbare Maas, der Nervenkitzel des Handicap-Formats und ein supersympathischer Verein. Eine Veranstaltung, die eine erneute Teilnahme im kommenden Jahr verlangt.
Jens Reppahn