Von Gazellen, dem Riggern und der Logistik

Von Gazellen, dem Riggern und der Logistik

Anfänger-Wanderfahrt auf der Lahn

Die diesjährige Anfängerwanderfahrt auf der Lahn fand vom 23. bis 25. August 2024 bei strahlendem Wetter statt und beinhaltete alles, was sich phantasiebegabte AnfängerInnen nur wünschen können. Wie schon in der Vergangenheit führte die Tour von Limburg in zwei Etappen nach Nassau mit Unterkunfts-, Bade- und Erholungspunkt im Gasthof „Zum Lahntal“ in Laurenburg. Jenseits aller auf- und abgeriggerten kleinteiligen Didaktik zeigte sich dabei gerade für uns AnfängerInnen: Es ist doch der gute alte Praxisschock, der in der „Erlebnispädagogik des Ruderns“ die AnfängerInnen auf Kurs bringt.
Bevor es aber so richtig losging und 30 gut gelaunte Ruderfrauen und -männer in sechs Booten, ausgestattet mit ausreichend Trinkwasser, einer lebenserhaltenden Ration Nervennahrung eines bekannten Bonner Süßwarenherstellers sowie einer Flasche Bier, ihre Boote zu Wasser lassen konnten, waren für uns AnfängerInnen noch jede Menge Herausforderungen zu meistern.

In der Vorbereitung waren Flexibilität, Durchhaltewillen und der unverkrampfte Bruch mit logistischen Glaubenssätzen gefragt. Zunächst einmal galt es, sich nacheinander durch verschiedene Versionen von Steffis feinster Detailplanung mit Zimmer- und Bootseinteilung zu arbeiten. Für die erfahrene Lahnfahrerin wahrscheinlich eine Kleinigkeit, war es für uns Neulinge doch eine spannende Aufgabe,
die 5 Limburg-Fahrerinnen von den 4 weiteren Direkt-Laurenburg-Fahrerinnen und den 3 PKW-Fahrerinnen, die nach Nassau zum Parkplatz am Schwimmbad fahren sollten, fehlerfrei zu unterscheiden. Die Sonderfälle mit 2 Fahrerinnen und den „zuvor abgeladenen Personen“ bzw. dem Hinweis, „das gleiche gilt für die Lebensmittel“, waren dann kein Problem mehr. Mit der Herausbildung erster zarter Lahn-Synapsen kam Euphorie auf.

Die Dopaminausschüttung wurde aber doch arg gebremst, als am Vorabend die Boote verladen werden mussten. Zwischen Abriggern („Wo oder was sind Rigger-Schlüssel…?“), Rollsitzausbau, der systematischen Zuordnung von Sitzen (drei Punkte, vier Punkte…?), Auslegern und Skulls sowie dem sicheren Verstauen der Boote auf dem Hänger („Nudeln nicht vergessen!“) gab es jede Menge neue Einsichten in die ausgeklügelte Logistik bei Wanderfahrten. Um 21:30 Uhr hatten wir es dann begriffen,
das Prinzip des Crowd-Managements: Don't worry, just do it!

So geprüft, stellten sich am Freitag, dem ersten Tag an der Lahn, sogleich weitere Erfolge ein. Trotz geplanter und ungeplanter Fahrzeugbewegungen trafen alle Fahrer*Innen inklusive der „zuvor abgeladenen Personen“ vollzählig im Gasthof „Zum Lahntal“ in Laurenburg ein. Auch das Wasser, die Kekse, das Lebenserhaltungsset von Haribo und die Flasche Bier waren logistisch einwandfrei eingetroffen. Der Gasthof „Zum Lahntal“, idyllisch in einer leichten Lahnbiegung mit Bootsanleger, Campingfläche und großer Terrasse gelegen, lockt mit schwäbischer und kaukasischer Küche. Nicht minder variationsreich ist der Komfort und die Ausstattung der Zimmer. Ashot, unser Wirt, gab alles, inklusive mehr oder doch eher weniger freigeräumter Wäsche- und Privatzimmer, um uns irgendwie
unterzubringen, getreu der Völker und Bettnachbarn verbindenden schwäbisch-kaukasischen Maxime: Don’t worry, just do it! Schließlich wurde es aber ein schöner erster Abend auf der Terrasse mit Blick auf die sanft dahinfließende Lahn und den gleichermaßen schweißtreibenden wie fachkundigen Zeltaufbau von Ralf.

Dann, endlich, Samstag, der erste Wandertag! Wie gut, dass wir schon so ausgezeichnet vorbereitet waren und danach fieberten, weitere Herausforderungen anzunehmen. Die erste Lektion lautete: Vergiss deinen Plan, es gibt kein Frühstück, dafür aber SEV (Für Autofahrerinnen und abgeladene Personen unter uns: Schienenersatzverkehr). Offensichtlich hatte Ashot die Vereinbarung, „Frühstück bitte um halb sieben“, weil die Bahn bzw. der SEV schon um acht Uhr fahren sollte, irgendwie kaukasisch (oder schwäbisch…?) interpretiert und auf sieben Uhr dreißig verlegt. Nachdem wir unseren Wirt durch energisches Klopfen von 06:30 Uhr bis 06:45 Uhr dann geweckt hatten, erwies der sich aber als sehr flexibel und gut organisiert, so dass schon nach kurzer Improvisationszeit das Frühstück fertig war. Da wir aber doch etwas in Zeitverzug geraten waren und auch die Bahn bzw. den SEV nicht mehr rechtzeitig erreichen konnten, musste der schöne Plan mit dem 5-,4-,3-,2-Fahrerinnen-Schema und den abzuladenden Personen noch einmal in einer tadellosen logistischen Blitz-OP von Dr. Steffi auf die neue Lage getrimmt werden. Mit dem Einbau von Ashot als kaukasischer Zusatzvariablen in die PKW-Logistikkette konnten schließlich alle Hin- und Herfahrer*Innen erfolgreich in Limburg abgeladen werden. Dann hieß es: An die Boote, Aufriggern, fertig, los. Der Limburger Dom, er winkte uns noch
einmal zu und verschwand unter blauem Himmel nach der nächsten Abzweigung („Achtung: nicht die mit dem Wehr!“).

Am ersten Tag auf dem Wasser bewältigten wir 26 Flusskilometer und drei Schleusen. Highlights waren das Schleusen-Rangiermanagement mit sechs Booten und die Arbeit mit den Piddelhaken. In den Schleusen lernten wir die gemeinsame Intonation des Schleusengrußes, der - nur hart und mutig genug vorgetragen - gerade auch das Herz von Schleuserinnen erfreuen dürfte. Man darf annehmen, dass er, je nach Frequenz und Lautstärke, auch geeignet sein sollte, das Schleusentor von alleine zu öffnen. Gab es unterwegs ein Problem, konnten wir uns auf Pflegeberater Ralf verlassen, der mit seinem Erste-Hilfe-Allzweckkoffer von Avon auch an unbekannten Anlegestellen gazellengleich von Bord sprang, um klemmende Rollsitze oder falsch eingestellte Dollen zu behandeln. Ganz nebenbei erfuhren wir, dass fliegende Wechsel von übenden Steuerleuten möglich sind und mit der Begradigung und Ausdünnung des überhängenden Uferbewuchses sehr gut verbunden werden können. Was die zarten Seelen der Steuerleute allerdings nicht mögen, sind Wasserspritzer auf‘s tadellos sitzende Vereinsshirts durch schlampiges Einsetzen der Ruderblätter (= Strafrudern mit aufgestellten Blättern!!).

Am Ende des ersten Rudertages warteten kühle Getränke und ein Bad in der Lahn auf die Mannschaft. Hier und da musste Magnesium in Form von Gerstengetränken oder anderen Verabreichungsformen zugeführt werden. Abkühlung am Abend brachte außerdem ein kleines Gewitter mit Platzregen, das auch den ersten Härtetest für Ralf’s Zelt darstellte :-(. Am zweiten Rudertag legten wir noch einmal 15 Kilometer zurück und durchfuhren die letzten beiden Schleusen vor unserem Ziel in Nassau. Das Ausheben der Boote sowie das Abriggern und Verladen klappten jetzt schon gewohnt zügig, und auch die Rückfahrt sowie das Ausladen und Säubern der Boote vor dem Bootshaus in Bonn wurden routiniert erledigt.

Fazit

Am Ende war die Flasche leer. Es war aber ein großartiges Erlebnis, das uns AnfängerInnen neue Einsichten in die Technik und Logistik des Wanderruderns beschert hat. Darüber hinaus sollte das Ruder-lexikon um mindestens zwei neue Einträge ergänzt werden:

  • Ruderbefehl: „Piddelhaken los“ = Lösen des Piddelhakens, insbesondere in der Schleuse und möglichst bevor das Boot in der Luft hängt;
  • Galeeren, das = Strafrudern mit aufgestellten Blättern, meistens veranlasst durch nassgespritzte Steuerleute.

Großer Dank geht insbesondere an Steffi und Anselm und alle anderen, die sich an der Vorbereitung beteiligt haben, natürlich auch an alle Fahrer*Innen, die alle geplanten, aber auch ungeplanten Routen bravourös und klaglos gemeistert und sich für noch größere logistische Aufgaben, die da kommen mögen, empfohlen haben.

Ahoi!
Henrik Schwarz

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